Hebammen und ihre Berufung… ein Thema das sich durch die Jahrhunderte zieht wie ein roter Faden und den Weg weist – geradewegs in die Situation die wir heute haben. Im Juni wird wieder mal die Haftplichtprämie erhöht. Von Prozentzahlen und Summen will ich hier gar nicht mehr reden. Das tun die Medien in absolut ausreichender Weise. Die Hebammenverbände protestieren. Es werden Flash-mobs mit vollem Körpereinsatz organisiert um auf das Elend der Hebammen und ihrer katastrophalen wirtschaftlichen Situation aufmerksam zu machen. Aktuell gibt es das Fotoprojekt eines Lüneburger Fotografen in dem auf Facebook Hebammenportraits gezeigt werden. Zusammen mit einem kurzen Interview in dem es natürlich um eines geht: Die Berufung. Eine Berufung mit vollem Einsatz von Körper und Geist. Eine Berufung in der man haftbar gemacht wird für Leben und Tod. Eine Berufung die mit weniger als 7,50 in der Stunde entlohnt wird. Und so schön es auch ist, dass sich die meisten Hebammen “immer wieder für diesen Beruf entscheiden würden” (mich eingeschlossen), das “glückliche Strahlen in den Augen der Eltern” kann sich keine auf´s Butterbrot schmieren und mit den “wundervollen Momenten, wenn eine Familie entsteht” lässt sich keine Miete bezahlen.
Die Geburtshilfe ist in einem Wandel und es ist eine spannende Frage wie es in Zukunft weiter geht. Seit mein jüngster Sohn ein Jahr alt geworden ist werde ich immer häufiger gefragt: “Ab wann arbeitest Du denn wieder als Hebamme?”
Ja, ich bin Hebamme und habe größte Achtung vor meinem Beruf, vor den von mir betreuten Frauen und vor mir selbst. Vor 12 Jahren habe ich mich ganz bewusst entschieden mein Medizinstudium aufzugeben und war überglücklich über einen der wenigen begehrten Plätze an der Hebammenschule. Voller Wissensdurst begann ich meine Ausbildung und stellte schon bald fest, dass die Arbeit im Krankenhaus nicht meins sein würde. Obwohl ich bis dahin noch keine außerklinische Geburt miterlebt hatte, wusste ich ganz tief in mir, dass es etwas noch viel Größeres geben musste, als die Geburtsbegleitung wie ich sie aus der Klinik kannte. Ich sah so unendlich viele traumatische Geburtsverläufe an deren Ende zwar ein Kind geboren, aber eine Frau zutiefst verletzt worden war. Schon während der Ausbildung nahm ich jede Gelegenheit wahr, mich in traditioneller Hebammenkunst fortzubilden. Während meines Externats im Geburtshaus Erdenlicht im Allgäu, erlebte ich meiner erste Geburtshausgeburt. Es war unbeschreiblich schön mitzuerleben, wie diese Familie ihr Kind empfangen hat. Es war so anders, als ich es aus dem Klinikalltag kannte.
Das ist mittlerweile 8 Jahre her und ich habe in der Zwischenzeit meine eigenen drei Kinder an drei unterschiedlichen Orten zur Welt gebracht und Frauen bei der Geburt ihrer Kinder begleitet. Im Geburtshaus, zu Hause und in der Klinik. Meine Klinikgeburt war sehr unfreiwillig und ich weiss nun noch mehr als vorher, wie sehr ein CTG, welches auf den Bauch geschnallt ist, die Geburtsarbeit erschwert und einschränkt. Man hat mich dort nach allen Möglichkeiten in meinen Wünschen unterstützt und begleitet doch es gab ganz klare Grenzen, wie z.B. “Das CTG muss am Bauch bleiben.” Ich habe mich schrecklich hilflos gefühlt. Während meiner Klinikgeburt habe ich ganz deutlich gespürt, dass eine Geburt ohne Angst heutzutage kaum möglich ist. Denn wenn die Frau keine Angst hat, dann ist die Angst bei der Hebamme. Es gibt eine Dienstanweisung die genau vorsieht, wie eine Geburt überwacht werden muss und wie viel Zeit Mutter und Kind für den Geburtsfortschritt gegeben werden darf.
Die naturgegebene Eigendynamik, die jeder Geburtsverlauf mit sich bringt soll unter Kontrolle gebracht werden. Dies bleibt letztlich unmöglich und die daraus resultierende Angst der beteiligten Geburtshelfer schlägt sich dann in häufig vorschnellen Eingriffen nieder. Der Handlungsdrang ist klar erklärbar, denn schließlich drohen jahrelange Klagen und Gerichtsverfahren, lässt sich nicht lückenlos nachweisen, dass jede medizinische Ressource genutzt wurde um Mutter/und Kind zu einem zufriedenstellenden Ergebnis durch die Geburt zu manövrieren. Dabei sind schicksalhafte Ereignisse nicht vorgesehen und darin besteht das große Dilemma. Anfang und Ende des menschlichen Lebens sind von ihrer Natur her unkontrollierbar. Die Auflehnung dagegen schafft so viele Probleme in diesen Grenzbereichen, dass mir schwindelig wird, wenn ich darüber nachdenke. Wenn ein Kind trotz pränataler Rundumdiagnostik in irgend einer Weise von der Norm abweicht, obliegt es den Geburtshelfern den Beweis zu erbringen, dass es sich um ein schicksalhaftes Ereignis handelt (und dass es nicht die Hebamme war, die das Kind “verhext” hat – letztlich hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nichts geändert).
Für eine Hausgeburt entscheiden sich meist Familien, die grundsätzlich von einem natürlichen und physiologischen Geburtsverlauf ausgehen. Die Statistiken zeigen eindeutig, dass Frauen in ihrer vertrauten Umgebung sehr gut aus eigener Kraft und ohne Eingriffe gesunde Kinder zur Welt bringen können. Trotzdem stehen Hausgeburtshebammen unter einem enormen wirtschaftlichen Druck und müssen auch bei sorgfältigster Arbeitsweise fürchten, sich vor einem Gericht verantworten zu müssen, wenn eine Geburt anders verläuft als erwartet. Es sind oft gar nicht die Eltern selbst, die sofort nach Fehlentscheidungen der Hebamme Ausschau halten, sondern unbeteiligte Kliniken und Ärzte, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dem Hausgeburtsspuk ein Ende zu bereiten und munter drauf los klagen, wenn es z.B. zu einer Totgeburt zu Hause gekommen ist. Die Tatsache, das Leben, Gebären und Sterben seit allen Zeiten zueinander gehören, dass es auch ein ganz kleines Leben geben kann, so sehr man sich auch dagegen zur Wehr setzen möchte, dieses Grundverständnis darf es in unserer Gesellschaft nicht geben, so scheint es.
Wenn ich als Hebamme eine Frau und ihr Kind unter der Geburt begleite, dann bin ich selbstverständlich mit all meinen Sinnen dabei. Ich weiss genau, wie ich mich in einem Notfall zu verhalten habe.
Als Hebamme spüre ich, ob eine Frau in ihrer Kraft ist, oder ob sie ihre Kräfte gerade verlassen. Ich sehe, ob eine Frau mit ihren Wehen arbeitet und voran gebracht wird oder ob sie überrollt wird und sich noch nicht hinein fallen lassen kann.
Wenn ich eine Frau unter der Geburt begleite, dann lasse ich ihren Muttermund in Ruhe. Es gibt nur wenige Situationen, in denen ich wirklich eine Bestätigung durch eine innere Untersuchung brauche.
Obwohl ich weiss, dass es genau richtig ist wie ich arbeite, hätte ich ein großes Problem, wenn mal ein Haftungsfall eintritt. Der worstcase, den sich niemand wünscht und der doch statistisch gesehen immer mal wieder vorkommt, egal welche medizinischen Möglichkeiten im Überfuss vorhanden sind.
Meine Aufgabe sehe ich vor allem in der wachen und aufmerksamen Beobachtung. Wenn eine helfende Hand nötig ist, bin ich da. Dazu brauche ich sehr sehr wenig. Vor allem aber Geduld und Zeit. Ich muss insgesamt ausgeschlafen und hellwach sein, um die Geburt optimal begleiten zu können. Das geht nur dann, wenn ich neben meiner Arbeit ausreichend Zeit und Geld für eine gesunde Selbstfürsorge.
In allen gerade stattfindenden Gebührenverhandlungen und Hebammenprotesten sehe ich die Gefahr, dass diese mehr als alles andere Kraft kosten und von der eigentlichen Hebammenarbeit ablenken. Die Bedrohung der eigenen Existenz hält kaum jemand auf die Dauer aus. Die Qualität der Hebammenarbeit leidet zunehmend unter der Situation der ungewissen finanziellen Zukunft. Viele freiberufliche Hebammen, die noch tätig sind bräuchten dringend mehr Erholungszeit.
Ich bin nicht bereit unter den gegebenen Umständen diese wichtige und kostbare Arbeit zu leisten. Selbst wenn bei den Gebührenverhandlungen drei Euro mehr pro Stunde heraus kommen würdigt das in keinster Weise die Arbeit einer Hebamme. Ein kompetent begleiteter Start ins Leben ist unbezahlbar. Die große Verantwortung die wir Hebammen dabei in unserer heutigen Zeit zu tragen haben, steht der Bezahlung in keinem Verhältnis gegenüber. Das ist eine traurige Tatsache und ich fürchte, dass sich nichts weltbewegendes daran ändern wird, solange die ehrenwerte Berufung und die Anziehungskraft dieses Berufes immer noch eine große Zahl an Hebammen dazu bewegt weiter zu machen. Ich frage mich, was aber würde passieren, wenn alle, wirklich alle Hebammen ihre Arbeit niederlegen, weil sie sich selbst noch ein klein wenig mehr wertschätzen als die Anerkennung die sich zwar nicht in Zahlen doch aber in gut gemeinten Schulterklopfern ausdrückt.
Es ist doch ein wenig absurd, dass Hebammen regelmäßig um die Erhaltung ihres Berufstandes kämpfen müssen. Dabei haben wir so viel besseres zu tun, wenn man uns nur lässt….